Das Gemecker über die Plastiktröten und ihren infernalischen Lärm bei den Spielen der Fußball WM hat etwas Rührendes, Hilfloses, so als stünde man vor dem Ausbruch eines isländischen Vulkans: keine Abhilfe möglich, es gibt nur momentane Reaktion, ein hilfloses Herumdrücken an der Fernbedienung etwa oder „Lippenmikropfone“ für die Fernsehmoderatoren. Sonst kann man leider nichts machen, heißt es. Höhere Gewalt. Naturereignis.
Schon vor einem Jahr, beim Confederations Cup, hätte man das Ausmaß des Problems verstehen und einschreiten können. Der Lärm war unerträglich und das Problem unübersehbar. Das Wesen des Fußballs ist berührt, wenn nicht verletzt: keine Kommunikation der Spieler untereinander mehr auf dem Feld, kaum eine Möglichkeit der Trainer, vom Spielfeldrand zu coachen, Fangesänge und Stadionatmosphäre zerstört, Zuschauerreaktionen verschüttet unter einem Schwall aus immer gleichem Getröte. Ein Tinitus. Eine Zumutung. Aber nichts Neues. Vor einem Jahr war bekannt, was kommen würde.
Wir verstehen alles
Aber die Herren aus den modernen westlichen Gesellschaften, die den Ton bei der FIFA angeben, verstehen alles, wie wir alle in diesen multikulturellen Zeiten. Wir verstehen Moslems, die Karikaturisten ermorden, wir verstehen Selbstmordterroristen in Schulbussen in Tel Aviv, wir verstehen Vollverschleierung und „ein Stück weit“ auch „Ehrenmorde“, denn: es ist eine andere Kultur! Und diese andere Kultur ist zu respektieren! Und diese andere Kultur bereichert uns!
Nun bereichert uns eine andere „Fankultur“, einen Monat lang, 64 Spiele, mehr als 100 Stunden. Aber bedeutet diese „Fankultur“ nicht einfach eine Denaturierung des Fußballs, einer englischen Erfindung, die Regeln wie „ungentlemanly conduct“ kennt? Ist es nicht legitim zu fordern, dass Mindeststandards des Respektes voreinander in beide Richtungen eingehalten werden? Wo ist hier der Respekt der Südafrikaner vor den Millionen Gästen in ihrem Land und den Abermillionen, ja Milliarden an den Fernsehgeräten in aller Welt, die Fußball so nur schwer oder gar nicht genießen können?
Nun scheint nur noch hilfloses Gemecker möglich zu sein, denn, so heißt es, es ist „zu spät“. Der schweizer Gutmensch Blatter hat für alle anderen Gutmenschen entschieden und selbstverständlich wurde niemand sonst gefragt. Warum hat man keine weltweite Abstimmung im Internet auf der FIFA-Webseite durchgeführt? Das wäre technisch kein Problem gewesen. Die Antwort ist klar: dann hätte das Volk gesagt, was es will und immer wenn es das tut, zum Beispiel bei niederländischen Parlamentswahlen, dann stellen deutsche Leitartikler enttäuscht und hasserfüllt fest, dass die Niederländer sich partout nicht an das halten, was sie so mühsam hatten herbeischreiben wollen: eine Niederlage der „Rechtspopulisten“.
So belustigt mich die Vorstellung, dass jetzt Millionen Menschen weltweit genervt sind von diesem – sprechen wir es aus – saudummen Geröhre aber meinen, leider nichts tun zu können. DFB: Mas Integracion.
Vom Ärgernis zum Sündenbock?
Ein Gutes aber dürfte das Ganze haben und wir werden es erleben: die Verlierer unter den Favoriten werden, wenn die WM-Angelegenheit für sie schief gehen sollte, eine hübsche Entschuldigung haben. Dann war dies nämlich gar keine richtige WM. Ich höre sie schon sagen: „Man konnte sich ja nicht verständigen, wir hatten alle Kopfschmerzen, Hörschäden sind nicht ausgeschlossen, unter den Bedingungen konnte man nicht spielen, wir konnten den Pfiff des Schiedsrichters nicht hören, die Trainer konnten nicht coachen, moderner Fußball braucht Abstimmung, Koordination, Kommunikation. Das ganze Turnier war unnatürlich. Denaturiert. Wertlos.“
Und es stimmt. Der Vuvuzela-Fußball der derzeit laufenden weltweiten Hörgeschädigten-WM ist genauso denaturiert wie eine Demokratie, die Ehrenmorde, Selbstmordattentäter und Vollverschleierung versteht. Das sollte man normalerweise nicht laut sagen, denn es ist gar nicht schön, aber im Moment des Frustes nach der Niederlage kann man es bei Bedarf kurz mal hervorziehen. Und sie werden es tun. Wetten?
Wilders hätte mit einer Vuvuzela den Sieg der PVV betröten sollen, dann wäre das Ding in den Augen der Gutmenschen diskreditiert und nicht mehr als Nazikeule gegen jene verwendbar, welche einfach nur ein Fußballspiel pur genießen möchten und sich dabei durch den afrikanischen Tinnitus gestört fühlen.
Gute Idee! Vielleicht könnte man die Vuvuzala auch irgendwie den Israelis empfehlen, so nach dem Motto: „Betanjahu empfängt Abbas im Zeichen der WM mit einer Vuvuzela, in die er jedes Mal kräftig bläst, wenn Abbas irgend welche Forderungen stellt, die Israel nur erfüllen kann, indem es sich selbst abschafft, wie z.B. „Rückkehr der Flüchtlinge (der 2., 3., 4., 5. … Generation)“. Die Idee ist jedenfalls ausbaubar. Ich habe außerdem gelesen, dass der Organisationschef der WM erklärt hat: „Wenn eines von den Dingern auf dem Rasen landet, werden wir handeln.“ Es kann ja nicht so schwer sein, irgend jemanden in Südafrika dafür zu bezahlen, dass er eine Tröte auf den Rasen schmeißt. Wir sollten dafür im Internet zusammenlegen. Wer kann so etwas organisieren?
Ich werde mal unseren Walther (s. Avatar), das Faktotum von Schoggo-TV fragen, der hat entfernte Verwandte in Afrika. 😆
Im Ernst, es freut mich, dass ich durch Zufall (jemand hatte bei Schoggo-TV nach Vuvuzela + Gutmenschen gesucht) auf dieses Blog gelangt und dabei einen ähnlichen Freigeist entdeckt habe. 😉
Ich mag Freigeister. Und ich mag es, nicht die gleichen Mechanismen anzuwenden wie die, die ich kritisiere. Wie waere es, den Begriff „Gutmensch“, der einen Menschen sofort und eindeutig etikettiert, in diesem Reservat der Freiheit weniger inflationaer zu benutzen? Vielleicht spende ich fuer einen Troete-auf-den-Rasen-Schmeisser, Internetaktionen wie diese mag ich auch.
Nun ja, das Wort „Gutmensch“ kommt in der Überschrift vor und dann noch genau zweimal in einem weiteren Satz. Ist das schon inflationär?
Andererseits: der Begriff ist auch eine Etikettierung. So viel ist wahr. Niemals habe ich geglaubt, von ideologischen Einflüssen selbst völlig frei zu sein. Man muss da wach bleiben. Insofern: danke für den Hinweis.
Etikette „Gutmensch“
Etiketten jenen, welche solche, meist in Form von „Rechtspopilist“, gerne an alle verteilen, die sie nicht einzuordnen verstehen.
Warum sollte ich Toleranz und Nachsicht gegenüber solchen Menschen üben?
Nun, man muss ja nicht dieselben Fehler machen, wie diejenigen, die man kritisiert. In meiner Rubrik „Verdummungsparolen“ beschäftige ich mich mit dieser Frage: einerseits brauchen wir Begriffe, die Menschengruppen beschreiben, und diese Begriffe dürfen durchaus ironisch, kritisch, abwertend u.s.w. sein, das gehört zur freien Diskussion. Demnach wäre „Gutmenschen“ OK, wenn man eine inflationäre Verwendung vermeidet. Entscheidend ist, ob ich den Begriff verwende, um ein Nachdenken über die Frage zu verhindern, um VOR der Diskussion/Beschäftigung/dem Nachdenken das Etikett wirken zu lassen, DAMIT eine nähere Beschäftigung nicht stattfindet. DAS ist das, was ich unter „Verdummungsparole“ fallen lasse. Die inflationäre Verwendung geht immer damit einher, denn nur oftmalige Wiederholuung kann das Denken mehr und mehr ausschalten, ähnlich wie in der Werbung, wo die Message nicht unbedingt gut sein muss, wenn sie nur oft kommt. Ich würde deshalb durchaus aufpassen, nicht zu oft von „Gutmenschen“ zu sprechen. Unsere deutsche Sprache ist außerdem zu reich und zu schön, um sich immer auf dieselben Worte zu beschränken.
Ich kann die Spiele nicht sehen, sie sind einfach unerträglich wegen diese Vuvuzela.